Die Gedanken sind frei

Text und Melodie des politischen Volkslieds Die Gedanken sind frei stammen aus der Zeit vor 1800. Die heute gesungene Textfassung basiert auf Hoffmann von Fallerslebens Überarbeitung (1842).

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Musiknoten zum Lied - Die Gedanken sind frei

Die Gedanken sind frei,
wer kann sie erraten,
sie fliehen vorbei,
wie nächtliche Schatten.
Kein Mensch kann sie wissen,
kein Jäger erschießen.
Es bleibet dabei:
Die Gedanken sind frei.

Ich denke, was ich will,
und was mich beglücket,
doch alles in der Still,
und wie es sich schicket.
Mein Wunsch und Begehren
kann niemand verwehren,
es bleibet dabei:
die Gedanken sind frei.

Ich liebe den Wein,
mein Mädchen vor allen,
sie tut mir allein
am besten gefallen.
Ich bin nicht alleine
bei meinem Glas Weine,
mein Mädchen dabei:
die Gedanken sind frei.

Und sperrt man mich ein
im finsteren Kerker,
das alles sind rein
vergebliche Werke;
denn meine Gedanken
zerreißen die Schranken
und Mauern entzwei:
die Gedanken sind frei.

Drum will ich auf immer
den Sorgen entsagen
und will mich auch nimmer
mit Grillen mehr plagen.
Man kann ja im Herzen
stets lachen und scherzen
und denken dabei:
die Gedanken sind frei.

Das Volkslied Die Gedanken sind frei entstand vermutlich gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Die Volksliedforscher Erk/Böhme verweisen in Deutscher Liederhort, Band 3 auf fliegende Blätter von 1780-1800. Der Hinweis »Allerhand Zusätze bringen die fliegenden Blätter von 1800 (folgt) « verweist auf eine bereits bestehende Verbreitung des Lieds. Der Grundgedanke des Textes, die Gedanken sind frei, ist ohnehin Bestandteil vieler Philosophien. Doch die Ausformulierung dieses Gedankens entwickelte sich weiter. Im Jahr 1842 war es schließlich der deutsche Hochschullehrer und Freigeist August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874), der mit seiner Überarbeitung die Grundlage für die heute bekannte Textfassung schuf und damit auch ein politisches Manifest, das bis heute als populäres politisches Volkslied nachwirkt.

Für Hoffmann von Fallersleben war Die Gedanken sind frei sicherlich mehr als nur ein weiteres Lied unter den vielen von ihm geschaffenen Texten. Für Hoffmann, der politisch mit dem Vormärz sympathisierte und wegen seiner liberalen Haltung sogar seine Professur verlor, war die Freiheit der Gedanken eine Grundvoraussetzung für die politische wie auch wissenschaftliche Diskussion. Den damals absolutistisch agierenden Herrschern waren solche Einstellungen natürlich ein Dorn im Auge, denn, wo kämen wir hin, wenn jede denken dürfte, was er will… Doch genau dies f orderte Hoffmann von Fallersleben mit dem Gedicht Die Gedanken sind frei in seiner ihm eigenen liberalen Sturheit. Und die Botschaft des Liedes wurde überall verstanden.

Bereits vor Hoffmanns Überarbeitung war das Lied so weit verbreitet, dass es zur Hymne der freiheitlichen Bewegungen avancierte. So wurde Die Gedanken sind frei auch schon 1832 auf dem Hambacher Fest von deutschen Burschenschaftlern gegen die Karlsbader Beschlüsse gesungen und richtete sich als »friedliche Waffe« gegen die sich anschließende »Demagogenverfolgung«.

Das ICH in mir

Hoffmann von Fallerslebens (1798-1874) Forderung Die Gedanken sind frei ist mehr als eine Forderung, es ist eine Lebenseinstellung. Denn nur, weil man Freiheit einfordert, ist man noch lange nicht frei. Man muss sich frei fühlen, um wirklich frei zu sein. So ist Hoffmanns erste Strophe zunächst nur eine Zusammenfassung, ein Statement: Die Gedanken sind frei. Und diese Freiheit umschreibt die erste Strophe: Unsere Gedanken gehören uns, nicht nur symbolisch, sondern auch tatschlich, denn »wer kann sie erraten«? Niemand! »Kein Mensch kann sie wissen« und deshalb kann sie auch »kein Jäger erschießen«. Doch, was nutzt uns dies? Nichts, wenn wir es nicht auch leben!

Darum schreibt Hoffmann in der zweiten Strophe »Ich denke, was ich will, und was mich beglücket«. Das lyrische Ich hängt seinen eigenen Gedanken nach ohne sie aussprechen zu müssen. Es genügt, sich mit sich selbst zu unterhalten. Darin liegt natürlich die Gefahr, ein Fall für den Psychiater zu werden. Doch eine wohldosierte Portion Fantasieren, Träumen und Begehren ist durchaus etwas Positives. Schließlich sind die Gedanken frei, sie können uns motivieren wie auch beängstigen. Doch beides kann leise geschehen, denn die Gedanken gehören uns, niemand kann sie kontrollieren, überwachen oder verbieten.

Die Freiheit der Gedanken ist eine Grundvoraussetzung für ein gesundes Sozialwesen und erst recht für unsere eigene Persönlichkeit. Wie oft regen wir uns über Missstände derart heftig auf, dass wir am liebsten wütend lospöbeln würden. Aber wir tun es nur in Gedanken – und das ist meistens gut so.

Auch können wir in uns in Gedanken unsere Welt ein wenig zurechtmogeln. Hoffmann tut es in der dritten Strophe, wenn er sich bei einem Glas Wein vorstellt, sein Mädchen wäre dabei. Dann fühlt er sich besser, nicht mehr so allein. Mehr noch in der vierten Strophe. »Denn sperrt man mich ein im finsteren Kerker« so ist das alles sinnlos, weil es keine Schranken und Mauern gibt, die Gedanken einsperren können.

Die Gedanken sind frei! Solange man sich dies vor Augen hält, ist man selbst auch frei. Denn denken, kann jeder, was er möchte. Es gibt keine Gedankenkontrolle und kein Gefängnis für schlechte Gedanken. Solange man sich die Fähigkeit des Denkens und Träumens bewahrt, solange mag um uns herum geschehen was auch immer das Schicksal für uns bereithält. Es gelten trotzdem auf ewig Hoffmann von Fallerlebens Worte:

Man kann ja im Herzen
stets lachen und scherzen
und denken dabei:
die Gedanken sind frei.

Tom Borg, 17. August 2023

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