Het begrip "kracht van gewijsde" kan niet (zomaar) vertaald worden naar het Duits als "Rechtskraft".
In het het Duits wordt een onderscheiod gemaakt tussen:
Formelle Rechtskraft
Formelle Rechtskraft bedeutet Unanfechtbarkeit. Zulässige Rechtsmittel hindern den Eintritt der (formellen und materiellen) Rechtskraft (Suspensiveffekt). Zu den Rechtsmitteln zählen insbesondere Berufung und Revision. Die formelle Rechtskraft tritt ein, wenn es kein ordentliches Rechtsmittel mehr gegen die Entscheidung gibt (vgl. § 705 ZPO). Das ist der Fall, wenn die zur Einlegung von Rechtsmitteln Berechtigten die hierfür vorgesehene Frist verstreichen lassen, darauf verzichten (Rechtsmittelverzicht) oder ein solches nicht vorgesehen ist, insbesondere, weil die letzte Instanz entschieden hat.
Die Verfassungsbeschwerde ist kein Rechtsmittel, sondern ein außerordentlicher Rechtsbehelf. Das Einlegen einer Verfassungsbeschwerde oder die Möglichkeit dazu hindert nicht den Eintritt der formellen Rechtskraft.[1]
Die eingetretene formelle Rechtskraft kann nur ausnahmsweise nachträglich wieder entfallen. Bei unverschuldeter Versäumung der Rechtsmittelfrist kann nachträglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 233 ff. ZPO, §§ 44 ff. StPO) gewährt werden. Unter engen Voraussetzungen kann das Verfahren wiederaufgenommen werden (§§ 578 ff. ZPO, §§ 359 ff. StPO). Auch auf eine Verfassungsbeschwerde hin kann eine rechtskräftige Entscheidung aufgehoben werden, § 95 BVerfGG.
Materielle Rechtskraft
Materielle Rechtskraft bedeutet inhaltliche Bindungswirkung in persönlicher, sachlicher und zeitlicher Sicht.[2] Sie setzt den Eintritt formeller Rechtskraft voraus und legt sämtliche Gerichte und die Parteien auch in späteren Prozessen auf die rechtskräftig festgestellte Rechtsfolge fest. Dies soll unter anderem sich widersprechende Urteile verhindern und Rechtssicherheit für die Parteien schaffen. Auf Dritte, die am Verfahren nicht beteiligt waren, erstreckt sich die Bindung dagegen grundsätzlich nicht (vgl. § 325 ZPO).
Im Zivilprozess ist es dann grundsätzlich nicht mehr erlaubt, dasselbe Begehren (denselben Streitgegenstand bzw. prozessualen Anspruch) noch einmal zum Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens zu machen (ne bis in idem). Außerdem ist in einem späteren Prozess, wenn sich die entschiedene Frage vorfrageweise für einen anderen Anspruch stellt (Präjudizialität), das Gericht an die Feststellung gebunden. Dabei erstreckt sich die Rechtskraft regelmäßig nur auf den erhobenen Anspruch; die Urteilsgründe erwachsen hingegen nicht in Rechtskraft (vgl. § 322 Abs. 1 ZPO).
Im Strafprozess führt die Rechtskraft des Urteils zu einem Strafklageverbrauch (ne bis in idem), so dass eine nochmalige Verfolgung wegen derselben Tat ausgeschlossen ist.
Weiter müssen nach dem Grundgesetz (vgl. Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG und Rechtsstaatsprinzip (vor allem Rechtssicherheit)) sämtliche Staatsorgane, insbesondere Verwaltungsbehörden, die materielle Rechtskraft beachten.[3]
Die Bestandskraft entfaltet im öffentlichen Recht bei Verwaltungsakten der Rechtskraft ähnliche Wirkungen. Das Verfassungsprozessrecht kennt außerdem Bindungswirkung gem. § 31 BVerfGG. Sie erfasst alle Gerichte und Behörden und reicht so über die Wirkungen der Rechtskraft hinaus.
Prozessurteil und Sachurteil
Prozessurteile sind Urteile, in denen die Klage als unzulässig abgewiesen wird. Sie sind der formellen Rechtskraft fähig (etwa, wenn die Klagefrist versäumt wurde), ohne dass sie stets in materielle Rechtskraft erwachsen würden: Ein Mangel in der Postulationsfähigkeit zum Beispiel kann geheilt werden, indem der Bürger seine Klage, für die Anwaltszwang herrscht, nicht wieder selbst einlegt, sondern doch noch einen Rechtsanwalt beauftragt. Die materielle Rechtskraft eines Prozessurteils bezieht sich allein auf den Zulässigkeitsmangel, an dem das Gericht die Klage hat scheitern lassen.
Sachurteile sind Urteile, in denen über die zulässige Klage in der Sache und damit über die Begründetheit der Klage entschieden wird. Sie sind formeller und materieller Rechtskraft fähig. Es gilt das oben Gesagte.
Rechtskraftzeugnis
Ein Rechtskraftzeugnis ist nach deutschem Prozessrecht eine Bescheinigung, dass eine gerichtliche Entscheidung Rechtskraft erlangt hat. Es wird ausgestellt, wenn der im Rechtsstreit Unterliegende innerhalb der hierfür vorgesehenen Frist kein Rechtsmittel oder keinen sonstigen Rechtsbehelf eingelegt hat, darauf rechtswirksam (etwa bei Urteilsverkündung) verzichtet wurde oder wenn kein Rechtsmittel gegen die Entscheidung mehr möglich ist, beispielsweise wenn eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs oder der Oberlandesgerichte vorliegt. Das Rechtskraftzeugnis wird vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erteilt und als Vermerk auf die Ausfertigung der Entscheidung gesetzt.
Die gesetzliche Grundlage des Rechtskraftzeugnises liefert § 706 ZPO.
Enthält eine gerichtliche Entscheidung den Vermerk "Vollstreckbare Ausfertigung", so lässt sich daraus nicht schließen, dass die Entscheidung rechtskräftig ist. Manche Entscheidungen sind vom Gläubiger vorläufig vollstreckbar, können aber noch von demselben oder einem nächstinstanzlichen Gericht aufgehoben werden.